Der in Hongkong geborene Tang Shu-wing ist Theaterregisseur und -pädagoge und arbeitet seit 30 Jahren im professionellen Theaterbereich. Er hat mehr als 60 Werke inszeniert, darunter Sprechtheater, nonverbales Theater, Tanztheater und Oper. Tang wird in den Medien als einer der talentiertesten Theaterregisseure Hongkongs gefeiert. Minimalistische Ästhetik und Körpertheater, für die Tang eintritt, sind zu einem Markenzeichen des zeitgenössischen Theaters in Hongkong geworden.
Im Bestreben, verschiedene Ausdrucksformen des Theaters zu erforschen, gründete Tang 1997 das Ensemble No Man’s Land. Er führte Regie bei Three Women in Pearl River Delta (1997), Face (1998), Millennium Autopsy (1999), The Hour We Knew Nothing of Each Other (2000), Between Life and Death (2002) und Deathwatch (2002).
Zwischen 2004 und 2011 arbeitete Tang an der Hong Kong Academy for Performing Arts (HKAPA), wo er innerhalb von fünf Jahren vom Dozenten zum Dekan der Schauspielschule aufstieg. In dieser Zeit führte er u. a. bei Phaedra (2005), Hamlet (2006) und Princess Chang Ping (2007) Regie und bildete viele neue Darsteller:innen aus.
Im Jahr 2011 verließ Tang das HKAPA und gründete das Tang Shu-wing Theatre Studio, dessen Ziel es ist, das Hongkonger Theater mittels sparten- und kulturübergreifender Arbeiten auf internationalen Bühnen zu etablieren. Zahlreiche Tourneen mit verschiedenen Produktionen führten Tang durch China und Asien wie auch nach Europa. Detention (2011), eine nonverbale Komödie, wurde 127 Mal in neun Städten in Europa und Asien aufgeführt und erreichte 25.000 Zuschauer. Sein Tanzdrama Thunderstorm (2012) wurde 2013 bei den Hong Kong Dance Awards mit drei wichtigen Preisen ausgezeichnet und ging auf Tournee in Peking, Shanghai, Guangzhou, Nanjing, Taipeh und Singapur. 2012 und 2015 präsentierte er Titus Andronicus und Macbeth in kantonesischer Sprache am Shakespeare’s Globe in London.
Beim Hong Kong Arts Festival 2015 führte er Regie bei der Oper Datong, die als Highlight in London im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums der Übergabe Hongkongs an China gezeigt wurde. Seiner Leidenschaft für die Förderung der jüngeren Generation folgend, inszenierte er an der Hong Kong Academy for Performing Arts Les Contes d’Hoffmann (2018) und Idomeneo (2021). Im Januar 2023 übernahm er die Regie für La Bohème an der Oper Hongkong.
Der nun in Berlin gezeigte, rein weiblich besetzte und nonverbale King Lear (2021) kann als Teil seiner kontinuierlichen Erforschung der Funktion des Körpers in verschiedenen Theaterstilen betrachtet werden. In seinen Veröffentlichungen Analysis and Reflections on the Theories of Acting of Meyerhold, Titus Andronicus – Approach in Minimalistic Aesthetics & Physical Theatre und Detention – Out of Curiosity lässt Tang andere an seinen kreativen Erfahrungen teilhaben.
Zahlreiche internationale Auszeichnungen und Berufungen in kulturelle Institutionen Hongkongs belegen die Achtung und Wertschätzung, die Tang und seinem Schaffen zuteilwerden.