Ein breites Spektrum musikalischer Dekonstruktionen klassischer Formmodelle erklingt in diesem Duorezital: Strawinskys Divertissement (1934) basiert auf der Musik zu seinem Ballett Le Baiser de la fée, das wiederum von Tschaikowskys großer Ballettmusik inspiriert wurde. Der in Charkiw geborene und in Israel lebende Komponist Leonid Desyatnikov seziert in wie der alte Leiermann… (1997) das letzte Lied aus Schuberts Winterreise, das in zerbrechliche und entschwindende Fragmente zerfällt. Die Violinsonate Post Scriptum wurde 1990 von dem ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov im Geiste der von ihm entwickelten Philosophie der Metamusik geschrieben, die die gesamte musikalische Tradition als Feld der kreativen Identifikation und Interpretation betrachtet. Die zweite Violinsonate Quasi una sonata von Alfred Schnittke (1968) schließlich markiert den Übergang des Komponisten zur Postmoderne und erklingt als Abfolge von Fragmenten, die trotz der Abkehr von der traditionellen Form durch ihre strukturelle Logik dramaturgische Strenge vermitteln.