Dies ist eine Aufführung mit zwei Tanzstücken, die in einer nicht-szenische Umgebung umherwandern. Die beiden Choreografinnen und Tänzerinnen, Tatyana Chizhikova und Yulia Arsen, lösen ihre Kreationen von ihren ursprünglichen Bühnenversionen und verlassen sich dabei auf die solide choreografische Struktur, resonante Bilder und emotionale Dichte, um ein gemeinsames Erlebnis für den Betrachter zu schaffen. Zusammen schaffen sie einen aufgeladenen Raum, eine Landschaft der gemeinsamen Reflexion.
Yulia Arsen beginnt die Aufführung mit The Whip. Im Kontext der weißen Galerie spüren wir die Schwerkraft eines Objekts noch stärker. Sie nimmt seine komplizierte symbolische Bedeutung als Hintergrund. Angst, Ekel, Machtverhältnisse – alles ist da. Und doch entwickelt sie durch ihre „Partnerschaft“ mit diesem konkreten Stück materieller Welt und durch subtile Bewegungsforschung schließlich ihr eigenes verkörpertes Wissen über Zerbrechlichkeit, Fluidität und Handlungsfähigkeit, das sie von einer Peitsche gelernt hat. In dieser Subversion der symbolischen Erzählung und der Anerkennung von etwas, das einfach zur Hand ist, liegt ein starkes Gefühl der Revolte. Das Knallen der Peitsche ist eigentlich kein Schlaggeräusch.
Bei Fractional Step dekonstruieren der klassisch ausgebildete Akkordeonspieler Roman Malyavkin und Tänzerin Tatyana Chizhikova den russischen Bühnenvolkstanz und insbesondere dessen gleichmäßigen perkussiven Schritt. Sie beschäftigen sich mit aufgeladenen und ambivalenten Empfindungen von Bravour und Verzweiflung, wobei ihre Virtuosität mit Pausen des Zögerns kollidiert. Im Laufe der Jahrzehnte wurde diese Bewegungssprache in Sowjetrussland als „natürlichster“ öffentlicher Körperausdruck konstruiert – als ob diese Haltungen und Gesten in den Körper der Menschen vererbt würden. Tatsächlich haben sie mit authentischen Volkstänzen genauso viel gemeinsam wie mit den Ballettschulen, in denen sie unterrichtet wurden. Was sagen diese klickenden Schritte heute aus und wie fühlt es sich an, sie auszuführen? Beide Choreografen gehören zur jüngeren Künstlergeneration aus Russland, die sich derzeit in jeder Hinsicht im Wandel befindet. In ihren Werken betreten sie beunruhigend solide Erzählungen und hinterfragen diese, unterwandern sie und verkomplizieren sie durch die verkörperte Praxis. Das ist es, was Tanz bewirken kann.